LÖWENTURM
   
   
In diesen Turm kommt niemand hinein. Und käme doch jemand hinein, so würde ihm das nichts bringen, denn dann käme er nicht hinauf, schließlich gibt es im Turm keine Treppe! Alternativ sind die einzelnen Stockwerke von außen über eine Strickleiter zu erreichen, die man aus dem Fenster wirft - aber um selbige hinauszuwerfen, müsste ja erst mal jemand drin sein, der sie hinauswerfen könnte. Der Turm ist also gewissermaßen unerklimmbar. Und genau zu diesem Zweck wurde er gebaut. Im 12. und 13. Jahrhundert gab es in München sehr viele Stadtfehden zwischen den einzelnen Sippen. Man wollte einen sicheren Rückzugsort haben, falls die Familie in Gefahr geraten sollte. Das war so etwa 1433 als der Ritter Hartl Ranninger zu Ranning bei Straubing wegen Schulden die Stadt befehdete. Der Magistrat wollte München warnen, aber Ranninger schickte "Mordbrenner nach München, welche daselbst eine furchtbare Feuersbrunst anstifteten", berichtet das Münchner Stadtbuch. Aus Furcht dass der Feind "die Stadt mit Brand (...) verderben" werde, wurden "vier Thürmer auf dem Peterthurme und viele Hütter unter den Stadtthoren gehalten (...) Es blieb deswegen das Bürgerthor immer ganz geschlossen". Vermutlich habe man damals von außen eine Leiter in den Turm eingehängt, sei hinaufgestiegen und habe die Leiter anschließend wieder entfernt. Möglich sei aber auch, dass sich immer eine Person, ein Wärter zum Beispiel, im Turm befand, der bei Gefahr eine Strickleiter für die Schutzsuchenden hinunterließ. Vielleicht konnten die Menschen sich aber auch über die benachbarten Gebäude Zutritt verschaffen. Denn bis zur mit dem zweiten Weltkrieg einhergehenden Zerstörung war der Turm nicht freistehend und stützte sich an den Nachbarhäusern ab. Als diese nicht mehr standen, habe sich der Turm über die Jahrzehnte bedrohlich zur Seite geneigt. Und weil München keinen "Münchner Turm von Pisa" haben wollte, wurde er 2006 umfassend saniert und abgestützt. Bei der Sanierung hätten die Arbeiter eine faszinierende Entdeckung gemacht. Im Turm wurden Fresken gefunden, die alte Adelsgeschlechter zeigen. Das bestätigt, dass der Turm ein Geschlechterturm war und einst ziemlich bedeutsam gewesen sein muss. Geschlechtertürme waren Verteidigungstürme bedeutender Stadtfamilien. Gestützt worden sei der Turm allerdings von Nachbargebäuden und nicht von der Stadtmauer. Am Turm befindet sich ein Schild (siehe Bild oben) auf dem steht, dass der Turm Teil der Stadtmauer gewesen sei, aber das ist schlichtweg falsch. Außerdem gebe es alte Pläne, auf denen klar zu erkennen sei, dass sich der Turm über dem Angerbach befand und der lief wiederum etwa 15 Meter außerhalb der Stadtmauer. Jedenfalls kann er auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken, der nun nicht mehr ganz so schiefe Turm aus Backstein mit den neugotischen Zinnen.
   
 
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