KARLSTOR
     
     
Das Karlstor steht am westlichen Ende der Neuhauser Straße im sogenannten Kreuzviertel, die Teil der Salzstraße und damit der Ost - West - Magistrale der historischen Altstadt ist. Damit trennt es die historische Altstadt von der Ludwigsvorstadt. Vor dem Karlstor befindet sich der Karlsplatz (Stachus), heute Teil des Altstadtringes und einer der verkehrsreichsten Punkte Münchens. 1285 bis 1347 entstand in München eine zweite Stadtbefestigung, in deren Rahmen das Karlstor, damals noch Neuhauser Tor genannt, entstand. Erstmals wurde das Karlstor 1302 urkundlich erwähnt. Das Karlstor wurde im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut und befestigt. So wurde beim Bau des Stachus - Einkaufszentrums 1970 ein mit Backsteinen gemauerter Fluchttunnel gefunden, mit dem Soldaten, gegebenenfalls auch Zivilisten, hinter die feindlichen Linien gelangen bzw. flüchten konnten. Ein kurzes Stück ist am Brunnenplatz des Stachus - Einkaufszentrums im 1. UG ausgestellt. 1791 baute Graf Rumford, damals Kommandeur der bayerischen Armee unter Kurfürst Karl Theodor, die Flankentürme um. Im selben Jahr wurde das Neuhauser Tor auch in Karlstor umbenannt. 1857 explodierten die Schwarzpulver - Bestände, die im Nebenhaus des Hauptturms gelagert waren, und beschädigten diesen so sehr, dass dieser später abgerissen werden musste. Die beiden Flankentürme wurden umgestaltet und später mit einer neuen Brücke (neugotisch) verbunden. 1861 bis 1862 gestaltete Arnold Zenetti das Karlstor neugotisch um. Beim Bau des sogenannten „Stachus - Rondells“ durch Gabriel von Seidl 1899 bis 1902 wurden die beiden Flankentürme einbezogen und dementsprechend umgestaltet. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde das Karlstor etwas vereinfacht wieder aufgebaut. Das Karlstor ist neben Isartor und Sendlinger Tor eines der drei erhaltenen Stadttore. Nicht mehr erhalten sind u. a. das Angertor und das Schwabinger Tor. Wer etwas aufmerksamer durch das Karlstor schreitet, entdeckt oben an jeder Ecke des großen Torbogens kleine sogenannte "Kragenköpfe". Diese werden nun erklärt.
KRENKL - KRAGENKOPF AM KARLSTOR
Es gibt so einige bayerische Aussprüche, die es zu überregionaler, wenn nicht sogar zu weltweiter Berühmtheit gebracht haben. "Oans, zwoa, gsuffa" kennt jeder, der schon mal auf dem Oktoberfest war. "Da legst di nieda", rufen die Bayern immer dann, wenn sie von einer Nachricht so überrascht sind, dass sie fast ohnmächtig werden. Das "Mia san mia" ist vielen ein Begriff, spätestens seit es der FC Bayern München zu seinem Slogan erklärt hat. Und "Wer ko, der ko" ist Ausdruck eines tiefen bayerischen Selbstbewusstseins, das sich nicht beirren lässt. Im Gegensatz zu vielen anderen Redewendungen ist bei dieser sogar bekannt, woher sie stammt. Der Münchner Pferdehändler und Unternehmer Franz Xaver Krenkl soll das gesagt haben. Seinen Spruch kenne zwar jeder, aber dass er als einer der vier so genannten "Kragenköpfe" am Neuhauser Tor verewigt ist, wissen die wenigsten. Dabei ist der Steinkopf leicht zu entdecken, im mittleren Bogen am nordwestlichen Kragen des Tors. Xaver Krenkl (1780 - 1860) war eigentlich ein Uhrmacher aus Landshut, der ab 1806 in München als Pferdehändler und Fuhrunternehmer Karriere machte. Schon bald konnte man ihn sich aus der Stadt und ihrem gesellschaftlichen Leben nicht mehr wegdenken. Besonders bei den Rennen während des Oktoberfestes war er in aller Munde, weil seine Pferde einen Preis nach dem anderen abräumten. Und so ist es nur konsequent, dass die Anekdote, die ihn für immer unsterblich machte, unmittelbar mit schnellen Rössern zu tun hat. Es gab ein Gesetz, das besagte, dass niemand die königliche Kutsche überholen durfte. Wer sich nicht daran hielt, musste eine Geldstrafe zahlen. Als nun eines schönen Tages Krenkl ein paar besonders schnelle und vielversprechende Pferde vor seine Kutsche gespannt hatte und nahe des Chinesischen Turms im englischen Garten fuhr, tauchte vor ihm König Ludwig I. (1786 - 1868) in seiner Karosse auf. Das hat dem Krenkl wahrscheinlich garnicht gepasst. Er gab den Tieren die Peitsche und hat die königliche Kutsche überholt. Der König - fassungslos angesichts solcher Dreistigkeit - soll aus dem Fenster geschaut und gerufen haben:"Weiß er nicht, dass das verboten ist?" Und Krenkl soll geantwortet haben:"Majestät, wer ko, der ko." Ob sich die Geschichte wirklich so zugetragen hat ist aber nicht eindeutig erwiesen. Auch ob der Monarch sich tatsächlich in der Weise rächte, wie es überliefert ist, bleibt ungeklärt. Anstelle einer Geldbuße, die den Geschäftsmann vermutlich wenig geschmerzt hätte, ließ Ludwig I. nämlich wenig später Krenkls Hofausfahrt mit seiner königlichen Kutsche versperren, sodass die Fuhrwagen des Unternehmers nicht hinausfahren konnten und ihm der Umsatz eines ganzen Tages durch die Lappen ging. "Krenkl, wer ko, der ko", soll der König auf dessen Beschwerde hin entgegnet haben. Krenkl war nicht nur äußerst geschäftstüchtig, sondern auch frech, schlagfertig, selbstbewusst und zeigte keinerlei Scheu vor Obrigkeiten. Dass er mit seinem Spruch "Wer ko, der ko" in München und ganz Bayern einmal in aller Munde sein würde, das ahnte Franz Xaver Krenkl wohl trotz allem Selbstbewusstseins nicht. Und auch, dass er einmal in Stein gehauen vom Kragen des Karlstores auf die Passanten in der Fußgängerzone blicken würde, hat er sich mit Sicherheit nicht träumen lassen. Vermutlich hätte er mit "Da legst di nieda!" auf die Nachricht reagiert.
     
"HOFNARR PRANGERL" AM KARLSTOR
Als der berühmte französische Musiker eintraf, wurde erst einmal eingesperrt - und zwar in eine kleine, dunkle Abstellkammer. Bei Hofe hatte nämlich Georg Pranger auf ihn gewartet, von den Münchnern liebevoll "Prangerl" genannt. Und der war seines Zeichens der letzte Hofnarr der Residenz. Nachdem er den Besucher erfolgreich eingesperrt hatte, maskierte und schminkte er sich, sodass er dem Musikus ähnlich sah, und gab statt diesem im Hoftheater ein recht schräges und skurriles Konzert. Nach rauschendem und höchst begeistertem Beifall kam der Schwindel auf und der Hof war blamiert. Möglicherweise war Prangerls Kritik an der Anbiederei des Münchner Hofes gegenüber Napoleon ausschlaggebend für diese Aktion. Vermutlich wurde Pranger 1745 in München geboren, ist hier zur Schule gegangen, war bürgerlich verheiratet und wohnte in der Nähe der Residenz. Außerdem soll er eher klein gewesen sein, gerne Reithosen und einen grauen Frack getragen und oft einen Hut aufgehabt haben. Doch so dürftig die Informationen über sein Leben auch sind, sehen können die Münchner ihren letzten Hofnarren jeden Tag, zumindest dann, wenn sie das Neuhauser Tor am Stachus passieren. Dort finden sich nämlich vier kleine Skulpturen von Persönlichkeiten, die im 19. Jahrhundert in Münchens Gesellschaft eine ganz besondere Rolle spielten. Neben dem Hofnarren sind das Briefausträger Joseph Huber, genannt "Finessen Sepperl" (siehe unten) [1763 - 1829], der gern Liebesbriefe transportierte, die Figur ist am südwestlichen Eck des Karlstors zu finden und dem man den Spruch "Nix gwis woas ma ned" zuordnete, Hofkapellmeister Josef Sulzbeck (siehe unten) [1767 - 1845] sowie Kutschermeister und Rennstallbesitzer Franz Xaver Krenkl (siehe oben). Sicherlich war Pranger gut gebildet und ausgesprochen musikalisch. Insbesondere sein virtuoses Geigenspiel ist durch mehrere Quellen dokumentiert. Die Stammkneipe des Possenreißers war das "Raisonierhäusl" bei der Theatinerkirche. Hier verbrachte er mit seinen Kneipenkumpanen die Abende damit, über die Tragik des Lebens zu raisonieren. Grund genug hatte er: Er war spielsüchtig, dem Alkohol sehr zugeneigt und oft in Finanznöten. Unzählige Anekdoten hat ihm der Volksmund zugeschrieben, längst seien hier die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit verschwunden. Hofnarr Prangerl schloss 1820 am 6. November 75 - jährig für immer seine Augen. Wobei die steinernen Augen am Neuhauser Tor sind noch offen und beobachten mit einigem Spott die Konsumfreude der Münchner und ihrer Gäste.
     
"HOFKAPELLMEISTER JOSEF SULZBECK" AM KARLSTOR
Toni Sulzbeck war ein Kapellmeister und Münchner Original. Er lebte etwa 1760 - 1810. Der Kapellmeister Sulzbeck ist eine heute schon fast mystisch - legendär gewordene Stimmungskanone im Bierkellerleben Altmünchens gewesen (Hofbräuhaus, Schießstätte und Großhesselohe). Er trug den Spitznamen "Napoleon" seit seiner Unterhaltung mit dem Kaiser 1306. Die Legende behauptet, er hätte das Angebot Napoleon I. als Generalarmeemusikdirektor abgelehnt, "weil es in Paris kein Hofbräuhaus gibt". Der Spruch "Huraxdax, packs bei da Hax" aus dem gleichnamigen Landler stammt von ihm. Seine Nase soll so lang gewesen sein, dass der Sargdeckel eine Ausbuchtung brauchte.
     
JOSEPH HUBER ALIAS "FINESSENSEPPERL" AM KARLSTOR
Joseph Huber lebte von 1763 - 1828 in der Landeshauptstadt. Er wohnte am Oberanger in einer bescheidenen Stube und war mit einer Größe von 1,50 Metern eher kleinwüchsig. Im achzehnten Jahrhundert wurde er als Münchner Liebesbrief - Austräger und Vertrauensmann für heimliche Angelegenheiten stadtbekannt. Sein Zustellungslohn der "Postillion d´Amour" waren lediglich ein paar Kreuzer oder Naturalien, z.B. etwas zum Essen. Er war nicht dem Schreiben und Lesen mächtig, war aber bauerschlau und verfügte über reichlich Humor. Er stellte nicht nur Briefe zu, sondern vermittelte Rendezvous, schlichtete Streitigkeiten und war über alle Geheimnisse der Stadt informiert, ohne je eines preiszugeben. Der Ausspruch "Nix Gwiss woass ma ned" stammt angeblich von ihm. Von klein auf soll er ein "verrunzeltes Weibergesicht" besessen haben, das durch seine übliche Kopfbedeckung, eine "Weiberkappe", die bis über beide Ohren reichte und die Haare komplett bedeckte, noch zusätzlich betont wurde. Jahrein, jahraus mit dem gleichen lockeren Kittel bekleidet, habe man den Finessensepperl auch stets mit einem geflochtenen Körbchen unter dem einen und einem Blechtopf unter dem anderen Arm angetroffen. Der Korb war sozusagen sein "Arbeitsaccessoire", denn darin bewahrte er Liebesbriefe auf, die er heimlich zustellte. "Er war der Vertraute aller Verliebten, kannte ihre Namen und Familienverhältnisse, war der Verwahrer ihrer Geheimnisse, durchaus verschwiegen, und als vertrauter Postbote stadtbekannt", heißt es in einem Münchenführer aus dem 19. Jahrhundert. Mit dieser Briefträgertätigkeit, die ihm den Beinamen "Postillon d’Amour" einbrachte, verdiente Joseph Huber seinen Lebensunterhalt. Über seine Herkunft ist nichts weiter bekannt, als dass er angeblich der Sohn eines Kleinhändlers war und nie lesen und schreiben gelernt hatte. Dass er seine Tätigkeit als Briefträger nicht nur mit der nötigen Verschwiegenheit, sondern auch einer gehörigen Portion Witz ausgeführt hat, brachte ihm schließlich den Namen "Finessensepperl" ein, was man in etwa mit "Durchtriebener Joseph" übersetzen könnte. Tatsächlich musste sich Joseph Huber einiges an Finessen ausdenken. Denn nicht nur bei den frisch Verliebten war er eine wohlbekannte Erscheinung. Liebesschwüre oder Verabredungen für ein heimliches Stelldichein konnte er deshalb schlecht an der betreffenden Wohnung abgeben, wollte er nicht Gefahr laufen, dass die Botschaften in die falschen Hände gerieten. Seine Kundschaft wusste, dass er frühmorgens auf dem Viktualienmarkt oder in der Nähe des Fleischmarktes umher wanderte, und ließ ihm dann dort die entsprechenden Schreiben zu kommen. Wollte ein neugieriger Zeitgenosse, womöglich gar ein Ehemann, der seine Gattin in Verdacht hatte, einen heimlichen Verehrer zu haben, von ihm wissen, in wessen Dienst er denn gerade unterwegs sei, pflegte der Finessensepperl nur zu antworten: "Nix gwis’ woas ma net". Ob dieser Ausspruch, der ja heute noch zum Repertoire des Standardbayerisch gehört, tatsächlich auf den Finessensepperl zurückgeht, kann aber wohl nur mit dem Spruch selbst beantwortet werden. Obwohl er bei seinen Geschäften nicht schlecht verdiente, hatte der Sepperl sich angewöhnt, auf seinen Botengängen neben einem Körbchen für die Briefe auch immer einen Topf mitzutragen, um den einen oder anderen Essensrest abzustauben. Mit Erfolg, denn es fand sich immer wieder die eine oder andere Köchin, die Mitleid mit dem skurrilen Kerl hatte und ihm sein Haferl mit Suppe oder Knödeln füllte. Eine Zeit lang hatte der Sepperl wohl auch eine Freundin, die "rote Nani", die ebenfalls auf der Straße gelebt haben und ein bisschen "narrisch" gewesen sein soll. Hatte einer von ihnen Namenstag, dann gingen beide, mit Blumen geschmückt, durch die Straßen und ließen sich von den Münchnern gratulieren. Irgendwann starb die Freundin aber und das scheint den Sepperl dann ziemlich aus der Bahn geworfen zu haben. Er ließ sich gehen und hatte an den Späßchen, die er mit seinen Kunden sonst trieb kein rechtes Vergnügen mehr. Erzählt wird auch, dass er in dieser Zeit Opfer eines brutalen Überfalls geworden sei, wobei ihn der oder die Täter, in der Hoffnung auf einen ansehnlichen Geldbetrag, auf den Boden stießen und heftig auf ihn eintraten. Der Finessensepperl wurde dabei so arg zugerichtet, dass die Spuren bei der späteren Untersuchung seines Skeletts in der Pathologie noch deutlich zu sehen waren.
     
MUSIKANTEN AM KARLSTOR
     
Diese drei Musikanten - Figuren sind an der Nordseite des Karlstors zu finden. Sie sind von Konrad Knoll (1865) und waren Bestandteil des alten Fischbrunnens am Marienplatz, der von 1884 bis 1944 noch etwas anders aussah als heute. Darunter findet sich eine Gedenktafel zu Ehren von Prof. Herbert Jensen.
   
 
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