DER "ENGEL DER GERECHTIGKEIT"
Die Figur am nordwestlichen Eck des Singlspielerhauses an der Sendlinger Straße ist nicht auf den ersten Blick als Engel zu erkennen, fehlen ihm doch die Flügel, die wir bei einem Boten Gottes als untrügliches Kennzeichen erwarten. So wurde der streng dreinblickende junge Mann, der mit der rechten ein Schwert schwingt und in der linken eine Waage hält, schon oft für eine Justitia gehalten, die Göttin der Gerechtigkeit. Doch dazu fehlt die Augenbinde, die das Auge der Justiz blind und damit unvoreingenommen machen soll. Aber wenn es nicht Justitia ist, wer ist es dann? Es ist kein geringerer als der Erzengel Michael. Auch er schwingt das Schwert der Gerechtigkeit, doch während Justitia es ruhig in der Hand hält, ist er bereit es zu ergreifen und es im Kampf einzusetzen. Die Waage ist das Kennzeichen Michaels als Seelenwäger. Bevor wir vor unseren Schöpfer treten, so heißt es, wird unser Herz auf dieser Waage gewogen. Wenn es für zu leicht befunden wird, dann bleibt einem der Himmel zunächst verwehrt - so wie es im Buch Daniel im 5. Kapitel heißt:"Du bist auf der Waage gewogen und für zu leicht befunden worden". Darüber richtet Michael. Dieser Engel versteht Gerechtigkeit nicht als bloße Tugend, sondern als Aufruf, sich für das einzusetzen, was wir für eine gerechte Sache halten. Wo Ungerechtigkeit in der Welt herrscht, gerät unser Herz aus dem Gleichgewicht. Als mitfühlende Wesen lässt es uns nicht kalt, wenn anderen Menschen Unrecht zugefügt wird. So kämpft der Engel der Gerechtigkeit an der Seite all jener, denen Unrecht widerfahren ist. Er ermutigt uns, es ihm gleich zu tun: Nicht lau unseren Blick abzuwenden, sondern unsere Schulter den Schwachen anzubieten und für sie einzutreten. Denn: für jedes Unrecht, das wir in Recht verwandeln, verwandeln wir auch das uns angetane Unrecht in inneres Gleichgewicht.
   
 
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